Wenn die einzige Option keine Option ist
Mein Körper und meine Psyche wehren sich gegen Verhütungsmittel
Ich komme gerade von meiner Gynäkologin. Eigentlich hätte sie mir gerne ein Kurzantibiotikum verschrieben. Das geht aber nicht. Mein Körper ist immer noch dabei, sich von einer Leberentgiftung zu regenerieren. Weil ihm der neue Fremdkörper in seiner Gebärmutter – eine Kupferkette – ganz und gar nicht gefällt und meine Leber nicht auf Vollnarkosen steht, unter der dieser eingesetzt wurde. In meiner Tasche ein Rezept für Globuli. Sie sollen dafür sorgen, dass meine Regel nur ein paar Tage dauert. Nicht wie jetzt drei Wochen lang.
Von vorne: Das erste Mal ernsthaft mit dem Thema Verhütung in Berührung gekommen bin ich mit 16. Ich hatte damals keinen Freund oder etwas Vergleichbares, nein. Ich fand einfach den Gedanken verlockend, dass eine kleine Pille womöglich dafür sorgen kann, dass meine ohnehin schon pickel- und porenfreie Haut noch makelloser werden könne. Ein Besuch beim Frauenarzt und los ging es. Zum Glück setzte nach einem Pillen-Blister auch schon mein gesunder Menschenverstand ein und ich hörte auf, mir die Dinger einzuwerfen wie Bonbons.
Zwei Jahre später. Der erste Freund, das erste Mal Sex und somit auch das erste Mal, dass ich nicht nur mit Verhütungsmitteln in Berührung kam, sondern mich auch ernsthaft mit ihnen beschäftigen musste. In meinem Nachtschrank lagen noch immer zwei Blister der Pillenpackung von damals. Sogar noch haltbar. Die Pille war praktisch und schmerzfrei. Da konnte überhaupt nichts passieren, dachte ich. Außerdem nahmen alle meiner Freundinnen sie auch. Spoiler: Heute gibt es keine Frau* in meinem Umfeld, die die Pille noch nimmt oder nicht gerade mit dem Absetzen kämpft. Außer gelegentlichen depressiven Verstimmungen kam ich aber tatsächlich ganz gut klar. Dass meine Psyche auch ohne Zutun nicht problemfrei ist, wusste ich auch damals schon. Allerdings wurde es mit der Zeit immer schlimmer.
Mit der Trennung von meinem Freund folgte auch das erneute Absetzen der Pille. Und da ging der Spaß dann richtig los. Ich sah keinen Grund, Körper, Herz und Hirn, die sowieso völlig am Ende waren, weiter mit Hormonen vollzupumpen und womöglich noch zusätzlich zu belasten. Kurzum: Es hat zwei Jahre gedauert, bis mein Körper sich an das Absetzen der Pille gewöhnt hatte. Zwei Jahre, in denen ich Pickel und Unreinheiten bekam, die ich vorher nie hatte, in denen mir die Haare ausfielen und von denen ich mindestens 6 Monate lang überhaupt keine Regelblutung hatte. Die Zwischenlösung: Verhütung mit Kondom. Leider aber gar nicht mal so sicher. Im Notfall also Pille danach und darauf hoffen, dass sie wirkt. Just saying.
Fast forward: Es ist da jemand in mein Leben getreten, dessen Gene ich zwar unbedingt mit meinen mischen möchte... aber eben noch nicht jetzt. Es geht also wieder von vorne los. Hormone sind keine Option. Das weiß ich jetzt. Kondome? Definitiv keine zufriedenstellende Lösung. Ich komme also zu dem Schluss, dass eine Kupferkette womöglich die beste Lösung wäre. Für eine Spirale bin ich laut Gynäkologin zu zierlich. Deshalb die Kette. Und der Absturz. Denn das, was mir eigentlich ein sorgenfreies Sexleben ermöglichen soll, tut wirklich vieles, aber sicher nicht das.
Das erste Einsetzen (ja, dabei sollte es nicht bleiben) erfolgte bei meiner Frauenärztin. Ich verzichtete bewusst darauf, mir vorher Horrorgeschichten im Internet durchzulesen. Nahm einfach eine Schmerztablette. So schlimm könne das ja nicht werden. Weit gefehlt.
Es war ein schneller Schmerz, aber auch der heftigste meines Lebens.
Abgesehen vom Gefühl, jetzt einen Fremdkörper in mir zu tragen – was ich, naja, eben auch tue – und Ziehen im Unterleib schien alles gut zu sein.
Eine Woche später bei der Kontrolle dann die Hiobsbotschaft: Mein Körper hat sich der Kette wieder entledigt. Was also tun? Die Alternativen sind offen gesagt beschissen. Ich wagte also einen zweiten Versuch. Diesmal aber in einer Klinik und unter Vollnarkose. Ziemlich resigniert willigte ich ein und fand mich eine Woche später im Aufwachraum der Tagesklinik wieder. Die Narkose hätte länger gedauert als geplant und man habe mich ordentlich mit Schmerzmitteln vollgepumpt, da meine Gebärmutter etwas „kompliziert“ sei und das Einsetzen dadurch erschwert wurde, hieß es. Die Kette würde jetzt aber perfekt sitzen. Das tat sie auch bei den darauffolgenden Kontrollen noch. Lediglich der Faden hatte sich entknotet und musste gekürzt werden, um richtig zu liegen.
Allerdings hörte ich von da an nicht mehr auf zu bluten. Drei von vier Wochen im Monat. Außerdem stellte sich meine Psyche ziemlich quer. Mein erster Gedanke: „Es liegt an der Kette.“ Das war es dann aber nicht ganz. Mein Körper, genau genommen meine Leber, wollte mit dem Nachwirken der Vollnarkose nicht zurechtkommen. Seither entgiften wir sie. Meiner Seele ging es kurzzeitig wieder besser. Allerdings verschwanden weder die Blutungen, noch das immer wiederkehrende Fremdkörpergefühl. Der Rest meines Körpers entwickelte weitere, unerklärliche Symptome. Meine Brüste veränderten sich, wurden wahnsinnig empfindlich, hart und spannten, Bauchschmerzen waren an der Tagesordnung. Die Psyche tat dann auch irgendwann wieder ihr Übriges.
Ich stand also heute wieder bei meiner Gynäkologin auf der Matte. Die Blutungen und teilweise lokal stechenden Unterleibsschmerzen machten mir Sorgen. „Ganz selten kann es passieren, dass der Körper sich mit so einem Fremdkörper einfach nicht anfreunden will“, sagte sie. „Eigentlich würde ich dir jetzt ein Kurzantibiotikum verschreiben. Das würde deinen Körper dazu bringen, aufzuhören, dagegen anzukämpfen. Allerdings möchte ich dir nach der Leberentgiftung jetzt ungern direkt wieder so etwas zumuten. Hier ist erstmal ein Rezept für Globuli, die dafür sorgen sollen, dass zumindest die Blutung erstmal aufhört. Du kommst jetzt regelmäßig, alle paar Tage her und wir beobachten das.“ Damit wären wir dann wieder am Anfang.
Drei Tage später ließ ich mir die Kupferkette ziehen. Sowohl der physische, als auch der psychische Leidensdruck waren zu hoch. Ich musste etwas tun. Irgendeine Erleichterung schaffen. Auch das lief nicht reibungslos: Erst war der Faden aufgrund der starken Blutung nicht sichtbar, dann entpuppte er sich als so kurz, dass man ihn nicht zu fassen bekommen konnte. Es hieß, ich müsse wieder in die Klinik, wieder unter Vollnarkose. Irgendwie klappte es dann doch. Mit der Kette waren auch die körperlichen Beschwerden verschwunden.
Ich habe das Gefühl, dass es mir auch psychisch, langsam, aber trotzdem stetig besser geht. Ob das mit dem Ziehen der Kette zusammenhängt, ich weiß es nicht. Ich habe mir jetzt ein Basalthermometer zur natürlichen Empfängnisverhütung bestellt. Für meine Frauenärztin ist auch das eigentlich keine Option – ich sei zu jung, zu zierlich.
Aber gut. Alle Optionen entpuppten sich als keine Optionen, und diese Option, die dann wohl eigentlich auch keine ist, bleibt eben meine letzte.