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Cum and Cry

Warum du manchmal nach dem Sex in ein unergründliches Loch von Traurigkeit und Melancholie fällst

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Die Endorphine steigen in dir auf. Dir läuft eine kleine Schweißperle von der Brust. Die Wangen leicht gerötet, das Blut strömt dir warm durch die Venen. Du erlebst fabelhaften, innigen Sex. Näherst dich der Klimax. Noch dreimal tief ein- und ausatmen, bis der Orgasmus über dich hereinbricht wie eine Welle.

Nachdem du noch ein paar Momente lang auf der Wolke der Euphorie schwebst und schwer atmend auf dem Bettlaken verweilst, verändert sich auf einmal die Gefühlskulisse. Kopf und Körper werden im Bruchteil einer Sekunde von einer tiefen Traurigkeit erfasst, die du dir nicht erklären kannst. Du drehst deinen Kopf in Richtung deines/deiner Sexpartner:in. Vielleicht liebst du diesen Menschen, vielleicht fühlst du dich lediglich körperlich zu ihm hingezogen. So oder so, ihr teilt eine Verbindung. Eine Verbindung, die gerade doch noch dazu geführt hat, physisch eins zu werden.

Und doch kannst du nichts dagegen tun, plötzlich diesen Fluchtinstinkt zu spüren. Das Gefühl, ganz dringend dieser Situation entfliehen zu müssen. Vielleicht läuft dir eine kleine Träne über die Wange. Erlösung? Trauer? Abneigung? Zuneigung? Du weißt es nicht. Die Frage, die du dir nun stellst: Was zur Hölle ist falsch mit mir?

It's not you, it's the hormones

Weder ist dieser Stimmungsumschwung damit zu begründen, dass der Sex scheiße war (im besten Fall), noch „kannst du etwas dafür“. Tatsächlich bezeichnen Ärzte dieses nicht selten vorkommende Phänomen der plötzlich schier erdrückenden Melancholie mit dem Fachbegriff „postkoitaler Blues“ oder auch „postkoitale Dysphorie“.

Psycholog:innen der Queensland University in Kelvin Groove erklären das Erlebnis mit „Bindungsängsten, Unsicherheit, Kontrollverlust, einer mangelhaften Abgrenzung des Ichs und dem Verlust des Selbstgefühls während des Aktes“. Daraus hervor geht also auch, dass besonders Menschen mit generellen sexuellen Problemen jeglicher Art oder traumatischen Erlebnissen betroffen sind. Aber nicht nur. Das stellt auch die Sexualtherapeutin Denise Knowles im Interview mit „The Independent“ klar: „Es ist nicht ungewöhnlich, nach dem Sex traurig zu sein. Daran muss nicht zwingend ein Trauma schuld sein oder etwaige Reuegefühle.“ Denn auch hormonell lässt sich der„After Sex Blues“ relativ simpel erklären: Beim Akt – Koitus – werden verstärkt Adrenalin und der Neurotransmitter Noradrenalin ausgeschüttet. Sie sind verantwortlich für den leidenschaftlichen, Trance-artigen Zustand, in dem wir uns beim Sex befinden. Verantwortlich für das Sex-High, quasi.

Nach dem Orgasmus fällt dieser Hormonrausch ab, mit ihm auch die Verbindung, die man bis dahin einging – und was dann kommt, kann verglichen werden mit dem Kater nach einem Alkoholrausch.

Was will einem die Tristesse nach dem Sex also sagen?

Basierend auf den zuvor gegebenen Erklärungen erstmal nicht unbedingt viel: „Diese Gefühle haben keinerlei negative Bedeutung“, würden sich schnell wieder legen, wie Knowles versichert. Kommt die Dysphorie jedoch häufiger vor und triggert etwaige Traumata, ist sie vielleicht doch ein Bote, welcher euch die Nachricht übermitteln möchte, gegebenenfalls den Rat eines/einer (Sexual-)Therapeut:in in Anspruch zu nehmen, um tieferliegende Ursachen an der Wurzel zu packen.

So oder so: Communication is key. Olles Sprichwort, aber wahr. Seid einfach offen mit dem Menschen, der euch gerade noch körperlich geliebt hat und lasst ihn wissen, dass der Sex wunderbar war, ihr aber einen kurzen Moment für euch braucht. Danach kann man dann immer noch kuscheln. Oder sich auch einfach anziehen und gehen. Jedes Beziehungsmodell darf existieren.

Bleibt nur zu sagen: It’s okay to cum and cry – because now you know why.

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