Das unbequemste Interview mit Liberta Haxhikadriu
Wer in oder um Hamburg herum lebt und Sozialen Medien nicht gänzlich fremd ist, der kommt kaum an ihr vorbei. 164 Zentimeter geballte Energie gepaart mit albanischem Feuer und einer kleinen Prise selbstironischem Alman-Dasein: Liberta Haxhikadriu ist nicht nur eine der beliebtesten Influencerinnen des Landes, sie ist auch noch viel mehr – Podcasterin, Moderatorin, Model, Sprecherin, Multitalent in jeder Hinsicht. Noch dazu schön und unfassbar witzig. Klar!
Geboren im Kosovo, aufgewachsen an der Ostsee, heute in Hamburg. Wer Stories à la "Hallo, meine Lieben" und Rabatt-Codes für jeden Mist erwartet, kommt bei der 31-Jährigen nicht auf seine Kosten. Sie ist das beste Beispiel dafür, dass Influencen nicht gleich Cringe bedeutet und dass hinter dieser Berufsbezeichnung – entgegen der immer noch vorherrschenden Annahme des Normalos – verdammt viel Arbeit, Konzept und Disziplin stecken.
Speaking of: Wo Influencer oder Content Creator sind, sind auch Schubladendenken und Vorurteile nicht fern. Und genau diese servieren wir Liberta heute im unbequemsten Interview auf dem Silbertablett.
Bon Appétit!
TOMORROW: Welches Vorurteil gegenüber Influencer:innen nervt dich am krassesten?
Liberta: "Influencer sein ist kein richtiger Job – ihr sitzt doch den ganzen Tag nur zuhause, lackiert euch die Fignernägel und bekommt Unmengen an Geld“. Genau! Ich kenne kaum eine andere Berufsgruppe, die sich so für ihren Beruf rechtfertigen muss. Es ist sicherlich kein klassisches Berufsmodell, aber muss es das sein, um seine Daseinsberechtigung zu haben? Ich bin stolz auf das, was ich tun darf und habe mir diesen Beruf hart erarbeitet. Mein Alltag besteht übrigens neben Nagelpflege noch aus Konzeptentwicklung, Content Produktion, Texten, Papierkram oder Strategieentwicklung – zugegeben deutlich flexibler als in einem festen Angestelltenverhältnis, aber Unmengen an Geld sind es leider auch nicht immer.
Was nervt dich an anderen Influencer:innen?
Ob 50.000 oder 2.000 Follower, ganz allgemein finde ich es äußerst fragwürdig, sich darüber zu profilieren, wie ausgelastet man ist, wie lang die Arbeitstage doch sind oder wie voll der Terminkalender. Jeder erledigt tagtäglich seinen Job – die Kunst besteht meines Erachtens eher darin, den Ausgleich zu finden und ein gesundes Bild zu vermitteln, anstatt mit Stress zu prahlen.
In der Instagram-Bubble sieht immer alles nach „happy Family“ aus. Jetzt mal ehrlich: Gibt’s überhaupt kein Konkurrenz-Gehabe?
Na sicher gibt es das! Wenn wir mal ehrlich sind: Wo Menschen aufeinandertreffen, gibt es doch leider immer Konkurrenz und Missgunst. Die positive Seite: Es motiviert und kann als Ansporn dienen, am Ball zu bleiben. Trotzdem bin ich der Meinung, dass der Kuchen groß genug ist und für jeden ein Stück da ist: Konkurrenz-Gehabe also überflüssig.
Gibt es Kooperationen aus deiner Vergangenheit, die du heute bereust? Wenn ja, welche?
Ich sage nichts ohne meinen Anwalt. (Pssst: Ja, klar!)
Wie käuflich bist du?
Mach mir’n Angebot und wir reden drüber.
Für welches Produkt würdest du nie werben und warum?
Für ein Produkt, das mir nicht gefällt, Fashion, die meinem Style nicht entspricht, Cremes, die meiner Haut nicht guttun, Essen, das mir nicht schmeckt, und so weiter. Mein Geschmack ändert sich zwar kontinuierlich in allen Bereichen, aber ich kann mit bestem Gewissen sagen, dass ich zum jeweiligen Zeitpunkt immer aufrichtig überzeugt von dem Produkt bin, dass ich bewerbe.
Hast du schon mal Follower und/oder Likes gekauft?
Anna, Luisa, Marlo, Simon, ich kenn sie doch alle, meine Follower. Würde ich noch Leute dazu kaufen... ne, sag ich ganz ehrlich, da komm ich doch mit dem Namen-Lernen und Profil-Auschecken nicht mehr hinterher. Noch ein kleiner Tipp: Sowas zeigt sich in den Statistiken des Instagram-Profils und ist leider nicht zielführend, wenn man ernsthaft als Influencer:in arbeiten will.
Ist dein Leben wirklich so geil, wie es auf Instagram aussieht?
NATÜRLICH! Deswegen lohnt es sich doch, mir zu folgen. Am besten ist mein Leben natürlich dann, wenn man ich den Alltag hinter mir lassen kann, alle Kampagnen abgedreht sind und ich einfach mal eine Auszeit am Meer genießen kann. Also vermutlich genau so wie bei jedem Menschen, der berufstätig ist.
Wie stark empfindest du den Druck, mit den neusten Trends, der schönsten Ästhetik und Kolleg:innen mithalten zu können?
Ich hol mal etwas weiter aus: Ich kann das alles nicht mehr sehen hören und sehen. Ästhetik. Alles scheinbar immer perfekt. Picture perfect Wohnung, Outfit, Freundeskreis. Keine Frage, das sieht super aus, aber wir kennen es doch alle von zuhause: So sieht es nicht wirklich aus, so ist das Leben nicht. Ich entziehe mich bewusst dem Druck, dieses unnatürliche Bild zu kreieren und finde es viel schöner, realistische Einblicke zu geben. Natürlich kann auch ich mich Trends nicht vollkommen entziehen, man bekommt automatisch mit, was in seiner Branche passiert und funktioniert, aber ob man da mitzieht ist, ist jedem selbst überlassen.
Wenn wir alle morgen offline wären, welchen Job würdest du stattdessen ausüben?
Unbedingt etwas mit Menschen, Kindern oder Tieren. Psychologin, Grundschullehrerin, Hundeflüsterin?
Wie lange hängst du täglich am Handy?
Kaum zu glauben: viel zu wenig. Aber ich bin einfach gerne präsent in der realen Welt.
Also wird das klassische Bild des "genervten Umfelds", weil du das Smartphone ständig vor der Nase hast, nicht bedient?
Die hängen doch selbst alle nur am Handy rum! Ich meine das ernst, ich bin tatsächlich wenig am Handy und eher Produzentin als Konsumentin – übrigens wie viele meiner Kolleg:innen.
Welche Kritik aus der Vergangenheit hat dich persönlich am stärksten getroffen?
Unterschätzt zu werden. Mir wurde oft gesagt, ich könnte dies nicht erreichen, sollte davon nicht träumen, den Weg nicht einschlagen oder Jobs beenden. Das verunsichert und übt Druck aus. Diese schlauen Ratgeber warten doch nur darauf, zu sagen: "Ich hab's dir doch gesagt“. Von meinen Zielen abhalten konnte es mich aber nie, ich habe immer auf mein Bauchgefühl gehört, vieles ausprobiert und stetig hart gearbeitet. Zum Glück hat sich das ausgezahlt und diese vermeintlichen "Ratschläge" haben sich als falsch bewahrheitet – mehr Unterstützung und Vertrauen von allen Seiten wäre jedoch schön gewesen.