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Lustkiller Lockdown

Hat Corona unser Sexleben gefickt?

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"Sex in einer Beziehung ist nicht alles, aber eine Beziehung ohne Sex ist nichts." So oder so ähnlich lautet eine weitläufig bekannte Philosophie unserer Gesellschaft. Wer offen zugibt, länger mal auf dem Trockenen zu sitzen, wird oft mit mitleidigen Blicken bombardiert, als läute das ganz klar das Ende der Beziehung ein. Nun schlagen wir uns aber seit knapp 1,5 Jahren mit einer weltweiten Pandemie rum. Monate über Monate verbrachten wir im Lockdown. Und der brachte in so einigen Haushalten alles hoch. Alles – außer einer starken Libido.

Erinnert ihr euch daran, als am Anfang der Pandemie bzw. deren Ausbruch in Europa plötzlich eine Art "Massenaufregung" stattfand, die dazu führte, dass wir alle ganz aufgeregt die ersten Tage des Lockdowns zählten, zu Meisterbäcker:innen wurden und fleißig eine Home-Workout-Challenge nach der anderen absolvierten? Ha. Ha. Ha.

Viele Paare und Sex-Buddies rückte diese Anfangszeit noch näher zusammen, es herrschte fast schon eine Art apokalyptische Stimmung in Deutschlands Schlafzimmern.

Doch Tage wurden zu Wochen, Wochen wurden zu Monaten, Monate wurden zu einem gottverdammten ganzen Jahr. Ein Jahr, das zuvor außerhalb unserer aller Vorstellungskraft lag. Ein Jahr, das vieles mit sich brachte: Einsamkeit, Hilflosigkeit, Angst, Traurigkeit, Sehnsüchte, Isolation, Gewohnheitsumstellungen. Und Sexflauten?

Wir starten von vorne: Eine Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) zusammen mit dem Sozialforschungsinstitut KANTAR und mit Unterstützung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zum Thema "Gesundheit und Sexualität in Deutschland" ergab, dass die meisten Deutschen im Schnitt rund vier- bis fünfmal pro Monat Sex haben. Also etwas mehr als einmal pro Woche. Durchgeführt wurde diese GeSiD-Studie zwischen 2018 und 2019 unter der Befragung von knapp 5.000 Deutschen im Alter von 18-75 Jahren.

Zum Vergleich: Laut Statista Research Department waren es im Jahre 2007 noch durchschnittlich doppelt so viele Geschlechtsakte pro Monat. Im internationalen Ländervergleich belegte Deutschland somit das gute Mittelfeld. So oder so wurde es innerhalb des letzten Jahrzehnts in den Schlafzimmer Deutschlands also bereits ruhiger. Corona brauchte es hierfür nicht.

Wie hat Corona unser Sexleben verändert?

Für viele bedeutete Corona eine drastische Umstellung ihrer Lebensgewohnheiten. Das Büro wich dem Home Office, Schule wich der Kinderbetreuung zu Hause, "Nights out" wichen dem heimischen Sofa und der Ausgeh-Look dem ranzigen Jogging-Anzug. Vor allem Paare, die nicht räumlich getrennt leben, hatten kaum noch die Chance, sich aus dem Weg zu gehen.

Man könnte das Ganze nun romantisieren, denken, dass es doch schön sei, dem Partner oder der Partnerin mal eine ganze Weile ganz nah zu sein, die gesamte Zeit miteinander zu verbringen. Für frischgebackene Pärchen und diejenigen, die sich innerhalb der Pandemie erst kennengelernt haben, traf das vielleicht auch zu.

Aber Zeit ist nicht gleich Zeit. Und das werden viele eher festgestellt haben, als es ihnen lieb war. So mehrten sich im Laufe der Monate im Flüsterton getätigte Aussagen wie:
"Sag mal, bei uns läuft's momentan im Bett nicht so..." Und die Standard-Antwort folgte just: "Das liegt safe an Corona!"

Finanzielle Sorgen, Existenzängste, gesundheitliche Risiken – all das sind Faktoren, die eine bis dahin gesunde Libido killen wie nichts anderes. Wer gerade seinen Job verloren hat, plötzlich mit knappem Kurzarbeiter-Geld jonglieren muss oder um die Gesundheit eines geliebten Menschen bangen muss, der hat keinen Bock auf Sex. Psychischer Stress und seelische Belastungen schlagen sich quasi direkt zwischen den Beinen nieder.

Großer Stress, kleine Lust

Auf die Frage, ob Corona unser Sexleben gefickt hat, gibt die Biologie also eine ganz klare Antwort: Ja.

Erfährt der Mensch eine "Bedrohung" oder eine ganze Reihe von Problemen, so wird seine sogenannte HPA-Achse (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse) aktiviert, die ihm dabei hilft, den Stress "auszuhalten". Die Aktivierung dieser Achse lässt Cortisol – das Hauptstresshormon – ansteigen. Die männlichen und weiblichen Sexualhormone Testosteron, Östrogen und Progesteron hingegen sinken. Und damit auch die Lust.

Die Sache ist also die: Ja, die Pandemie tut uns in Sachen Liebesleben nicht gut (in welchen Bereichen tut sie das schon?), aber es ist wichtig zu wissen, dass man damit nicht alleine zu kämpfen hat. Genau hier liegt nämlich das große Problem, dem viele Paare sich ausgeliefert fühlen: Sie denken, dass es nur bei ihnen nicht läuft.

Ist aber nicht so. Und das ist auch in Ordnung. Die Annahme, dass eine kurzfristige Sexflaute (wir sprechen hier von einigen Monaten, nicht von Jahrzehnten) in einer Beziehung direkt deren Untergang bedeutet, ist in meinen Augen Bullshit. Sex ist wichtig und gut für eine Beziehung, wenn aber das Zwischenmenschliche stimmt, so wird sie auch in eher leidenschaftslosen Zeiten Bestand haben. Mit dem Vorüberziehen der Pandemie – ich klopfe auf Holz – wird sich auch die Libido wieder zu Wort melden. Vielleicht muss man sie ein wenig hervorkitzeln, einfach mal "machen", das Ganze vorantreiben und wieder auf Angriff gehen. Aber sie wird wiederkommen. Ganz bestimmt.

6m
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