Männerhass

Aber was ist mit dem tief verwurzelten Männerhass, der in verletzten Herzen schlummert? Es ist nicht einfach nur eine emotionale Phase, die du durchmachst, nachdem dir irgendein x-beliebiger Typ mit schütterem Haar dein Herz gebrochen hat, nein. Diese Einstellung sitzt so tief, dass dir dein Instinkt beim Anblick eines Mannes direkt eine Gefahr signalisiert. Pass auf! Will er mich verletzen oder gar misshandeln? Muss ich Angst vor ihm haben? Ein sehr provokantes Bild, ich weiß. Lasst mich weiter reden.

Meine Freundin und ich sind in Warschau. Wir haben eine schöne Zeit, möchten diese verewigen mit Fotos. Zu zweit. Ein älterer Mann kommt uns entgegen, bietet uns an, ein Foto von uns zu machen. Bevor er die Frage überhaupt zu Ende stellen kann, habe ich ihn abgewimmelt.

Köln Hauptbahnhof, morgens früh. Viele Menschen. Ich, 1,58 Meter, laufe die Treppen runter mit einem großen Koffer, der wahrscheinlich der Hälfte meines eigenen Körpergewichts entspricht. Ein Mann kommt auf mich zu und möchte mir meinen Koffer abnehmen und helfen. Ich lehne dankend ab.

Im Nachhinein fühlte ich mich schlecht. Ein Mensch wollte freundlich sein und helfen, ein Akt, der heutzutage viel zu selten in der analogen Welt noch stattfindet. Ich fühlte mich schlecht, nicht weil ich die Hilfe abgelehnt habe, sondern weil in meinem Kopf wieder einmal der Gedanke aufkam: Pass auf, ein Mann, was will er? Ist das nicht unfair?

Natürlich ist ein gesundes Maß an Vorsicht immer wichtig, besonders als Frau, die rein biologisch gesehen in dem meisten Fällen einfach das körperlich schwächere Geschlecht ist. Keine Frage. Aber nun stelle ich mir die erste Geschichte mit einer Frau statt eines Mannes vor. Wie hätte ich reagiert? Ich hätte nun ein Foto mit meiner Freundin in Warschau.

Es gibt sie, Frauen, eingeschlossen mich selbst, die durch die Welt gehen und Männer ausschließlich durch misstrauische Augen betrachten. Ist das richtig? Fremde Personen durchgehend abzulehnen? Nein.

Vielleicht hat sich diese Einstellung über Jahre hinweg – auch in dir – manifestiert. Seit deinen Kindheitstagen wurde dir eingetrichtert und vorgelebt, dass Männer nicht zu gebrauchen seien. Das sie böse seien und nur verletzen, enttäuschen oder gar Schlimmeres. Oder du hast es selbst erlebt. Mit deinen eigenen Augen, deinem Körper und deiner Seele. Eine Vaterfigur, die dir das Gegenteil vorlebt, gibt es auch nicht.

Ehe du dich versiehst, bist du eine erwachsene Frau, die aus ihren tiefen Wunden ein Schutzschild gebaut hat.

Diese Verletzung schleicht sich in dein kleines, noch liebes, mädchenhaftes Herz ein, langsam leise, aber nachhaltig. Ehe du dich versiehst, bist du eine erwachsene Frau, die aus ihren tiefen Wunden ein Schutzschild gebaut hat. Hass, Vorurteile und negative Gedanken nehmen dich ein, wenn du „MANN“ hörst, siehst und liest. Keiner kann dir dies verübeln, ein Trauma ist ein Trauma.

Jedoch ist eine Erfahrung auch eben eine Erfahrung. Gegenwärtig gibt es auch gute Erfahrungen, Geschichten und Gesichter. Stigmatisierung schadet nicht nur der Person, die verallgemeinert wird, sondern auch dir selbst. Je eingeschränkter deine Sichtweise ist, desto eingeschränkter wird dein Leben sein. Wenn du mit dieser Überzeugung tagtäglich in die Welt hinaustrittst, wirst du die Bestätigung dafür auch finden.

Was passiert jedoch, wenn du einmal diesen Schutzschild ablegst? Den Mann nicht mehr als Mann betrachtest, sondern als Menschen? Können sich neue schöne Erfahrungen in dein Herz einpflanzen? Wirst du neue liebevolle Erinnerungen in deinem Herzen speichern? Kann dein verletztes Herz langsam heilen?

Ich weiß, wie schwer es ist, doch ich appelliere an dich: Sei stark und lass dir dein Bild nicht für immer verderben von negativen Erfahrungen. Natürlich gehen bestimmte Menschen nicht schuldfrei aus deinem Leben. Du lehnst sie ab und dies aus gutem Recht, sie haben dir wehgetan und dich hierhergebracht. Aber lass sie nicht gewinnen, gib ihnen nicht die Genugtuung, die Welt nur noch in Schwarz-Weiß zu sehen. Mann böse/Frau gut.

Trotz allem wünsche ich dir, dass du es schaffst, noch zu stehen und offen zu sein, deine Verletzlichkeit zu zeigen. Stärke ist die Kunst, weich zu bleiben.