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Psoria-Liz

Meine Haut spannt, ist schuppig, brennt. Danke, ich brauch keine Hilfe – unsere Gesellschaft braucht sie.

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Lange Ärmel, lange Hosen. Keine Blicke, keine Fragen. In dem Kaff, aus dem ich komme, ist jedes Jahr am 25. der Weihnachtsball. Wo du alte Klassenkameraden, ihre Eltern, Freunde vom Feiern von früher triffst. Alte Bekannte kommen auf mich zu: „Deine Haut ist ja wieder viel schlimmer geworden“. Ich trage eine weite Hose mit langen Cut-Outs an den Seiten und ein schwarzes Top mit einem Ausschnitt, der so tief ist, der fast die Mitte meines Oberkörpers erreicht. Sie trauen sich dieses eigentlich sehr intime – und meiner Meinung nach unnötiges – Thema anzusprechen, weil ich ab 2014 auf Scham und Stigma geschissen habe. Meine Antwort: „Yea, I know.“ Weil Schuppenflechte im Winter immer schlimmer wird: kalte Luft, keine Sonne, Stress.

Menschen, die noch keine Berührungspunkte mit Psoriasis-Kranken hatten, kennen sich oft nicht aus und sind in ihren Reaktionen nur ein Spiegel des Kranken. Seit ich offen mit meinen Schuppen umgehe (und ich schicke allen Kraft und Liebe, die sich noch verschließen), sind sie für jeden um mich herum zum Normalfall geworden. 

Allerdings nicht für jeden, der mich sieht. Im Sommer brutzle ich im Freibad oder am See wahrscheinlich öfter vor mich hin, als ich nachts schlafe. An einem Tag, es war der 19. Juli 2019, habe ich meinen persönlichen Rekord gebrochen: insgesamt 13 Menschen haben mir Ratschläge erteilt: „Ich kenn da ‘ne Creme, die würde dir helfen“, „Ich kenn da ‘ne Frau, die könnte dir helfen“, „Ich kenn da ‘ne Bloggerin, die Posts helfen dir bestimmt”.

Das Ding ist: Ich will keine Hilfe. Denn ich liebe meine Haut.


Menschen mit Psoriasis schotten sich in den schlimmsten Fällen von sozialen Kontakten ab,trauen sich nicht raus – vor allem nicht ins Freibad, möchten keinen Sex mehr haben. Sie schämen sich für ihre Haut, obwohl sie aus einem anderen Blickwinkel so schön ist. Krank heißt immer: nicht normal, nicht richtig. Weil dieses Thema in der Öffentlichkeit auch nicht richtig stattfindet. Schönheitsmankos werden wegbearbeitet. Weil Menschen in unserer Gesellschaft ohne Fehler scheinbar schöner sind. 

Body Diversity, Vitiligo, Zahnlücken und Körperbehaarung sind ein Lichtblick. Psoriasis und andere Hautkrankheiten stehen noch im Schatten und lauern darauf, dass sie endlich losrennen und sich zeigen dürfen. Viel mehr Menschen mit besonderer Hautdürfen sich ihre Schleier vom Leib reißen, damit sich die trübe Sicht Außenstehender aufklart. Nicht nur einmal im Jahr zum Welt-Psoriasistag am 29. Oktober. Sondern immer und überall. Auf Social Media, in Fashion-Strecken, Songlyrics und Beautyshots. 


Meinem Ex-Freund war meine Schuppenflechte (ebenso wie meinen Freund:innen) ziemlich egal. In der Zeit habe ich mich verrückt gemacht und alles Mögliche ohne Erfolg ausprobiert. Erst dachte ich, es juckt ihn wirklich einfach nicht. Einen Monat später lernte ich seine Eltern kennen. Sein Vater reichte mir die Hand und ich fand einen wallnussgroßen Plaque auf seinem Handgelenk. Thank god. Diese Phase hat mir die Kraft gegeben, diese Reise für mich anzunehmen, eine dickere Haut zu bekommen und zu wachsen. 

Das Glück, eine:n Partner:in und Freund:innen zu finden, die so selbstverständlich mit der Hautkrankheit umgehen, haben nicht alle. Konventionelle Medien beeinflussen das Bild der Frau* geprägt vom Patriarchat: scharf, schön, verführerisch. Versuch das mal, wenn das gesamte Bettlaken mit Schuppen bedeckt ist. Einmal fragte mich ein Typ, nachdem wir etwas miteinander hatten, ob Psoriasis ansteckend ist. Ich frage mich, warum er dieses Hirngespinst nicht vorher geklärt hat. Ignoranz und Trieb gingen scheinbar vor Interesse und Aufklärung.

Ein anderer fragte mich, ob er mich eincremen darf. Das wiederum war ziemlich sexy.

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Foto-Credits:

Fotograf: Hanif Sudarbo
Licht: Lisa-Marie Geiger
Model: Elisabeth Witenbek

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