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Surferslashmountainfuck

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Glaub mir nichts,

glaube mir.

Du verlässt mich,

dann nimm alle guten Geister mit.

Credit: Anna Pentzlin

Um Nachfolgendes zu verstehen, muss ich dir erst einmal erklären, was „Surferslashmountainfuck“ ist. „Surferslashmountainfuck“ ist der Titel eines Hollywood-Blockbusters. Diesen Titel betrachten wir, du und ich, auf dem Cover einer DVD. Er ist verziert mit Blitzen und den Action-Soundwords „Bamm“ und „Peeoww“. Sonst zu sehen auf dem Cover dieser DVD ist ein GI mit einem blonden Iro und einer Kalaschnikow in der Hand, der auf einem Hai steht, welcher Flügel hat wie die des F-22 „Raptor“ und damit über die Alpen in das Universum fliegt und Nazi-Aliens abknallt. Ach ja, in seinem freien Arm findet eine junge, nackte Pamela ihren Platz und himmelt ihn an. Zu sehen ist sonst noch eine Stars-and-Stripes und ein kleiner Atompilz in der Ferne über einem Landstrich, der Hiroshima ähneln könnte – der Platz auf der DVD ist begrenzt.

Diese DVD ziehen wir aus dem Regal der letzten Videothek der Welt, in die wir uns um zehn Uhr vormittags nach einer schlaflosen Nacht verirrt haben, die unschuldig gähnende Realität sowieso schon gerade so am Rande des Hinnehmbaren, dann das. Da steht „Surferslashmountainfuck“ auf dieser DVD mit dem Baller-Cover und wir stehen da, alleine in einem der hinteren Gänge dieses Ladens und starren auf den Plastik-Teppichboden, dessen einzelne Plastik-Fussel beginnen, uns in sich aufnehmen, unser schweres Gehirn zu sich zu ziehen und uns verschlingen zu wollen. Je länger das Starren, desto wuseliger und lauter wackeln die Flusen. Vor uns in der ewigen Leere dieser Wüste unseres Starrens dann dieses DVD-Cover mit dem Titel „Surferslashmountainfuck“ – soweit die Szene – und dann kommen all diese Gedanken, die blitzschnell durch uns hindurch rasen, sich anfühlen wie ein großer, ein bisschen Erkenntnis und vielleicht aber auch doch nur Stochern im Heuhaufen des Ungewissen. Doch sie fühlen sich wichtig an und das hier sind sie:

Können Worte beschreiben, wie ich mich fühle? DAS GUTE AN IHNEN IST, MAN KANN SIE SCHREIEN! Das verleiht ihnen Ausdruck, aus Druck folgt Härte, Diamanten z.B. Apropos Ausdruck, ich fühle mich wie durch Zahnräder gewälzt, wie durch ein Uhrwerk verwurstet. Am Ende eines dunklen Weges sollte jemand auf dich warten. Jeder braucht jemanden. Das wünsche ich mir. Ein bisschen vielleicht, apropos viel-leicht, ich wiege Tonnen auf dieser Erde, am heutigen Tag. Die Sonne blitzt und sengt, sie sengt mich grell pink und grell gelb, new modern wave, durch ein kleines dreckiges Fenster, kaum also, aber hier drinnen geschieht es, das Sengen, ganz sicher, es passiert, ich spüre nichts deutlicher als meine Metamorphose ins Grelle. Meine Haut löst sich auf und fällt in Fetzen von mir ab. Ich laufe auf Sternen in die Unendlichkeit, meinen Prinzessinenschuh verliere ich natürlich (nur für dich, mein Prinz). Ich verliere auch den anderen, aber ganz woanders. Wenn es klappt, habe ich damit ein klassisches Drama geschaffen anstatt eines Märchens. Am Schluss braucht es ein Duell und ein Tribut, gib mir Drama! Lieber noch tausendmal auf die Fresse fallen als mich einmal noch mit der Langeweile meiner Existenz auseinandersetzen zu müssen. Und sowieso: Leute sterben jeden Tag.

Hey, ähm, alles okay mit dir?

Oh, wenn du wüsstest. Ich bin längst wach. Ich schmiede Pläne. Ich habe keinen Respekt mehr vor gar nichts. Ich drehe den Wasserhahn auf und gehe ganz woanders hin. Da läuft es dann, das gefilterte Wasser. Ohne Zutun wird es von einer Sekunde auf die andere zu Abwasser. Jetzt muss es wieder gefiltert werden. Irgendwer muss das machen. Dafür braucht es Energie, Geld, Chemie. Und hier läuft es literweise als schönster Epitaph der Sinnlosigkeit, so schön sinnlos, es passiert einfach und niemand beachtet es. Wider allem, was wir Menschen uns auf die Fahne geschrieben haben. Aber gut, es können nicht alle so sein.

Manche sterben einfach so, für immer vom Erdboden osmotisiert, beziehungsweise in ihn hinein. Sie verdursten z.B. Gibt es dieses Wort, also „osmotisiert“? Vielleicht ist das wahre Wort für den Begriff, den ich hier verwenden will, „absorbiert“? Dass es jetzt so steht, wie es steht, unverbessert, unkorrigiert, ist ein Aufruf an uns alle; du und ich, wir müssen noch viel lernen. Man muss weiß der Teufel nicht jeden Unfug wissen, aber selbst die Arrogantesten von uns, also ich, wir können noch was lernen. Ob es arrogant ist, sich für die Arroganteste zu halten, z.B. Oder ob es arrogant ist, in einem doch so aufwändigen und substanziellen Text „z.B.“ zu schreiben, gänzlich lapidar, wie aus blanker Faulheit. Hältst du dich daran auf, nicht an dem, was denn als Beispiel dient, dann habe ich vollstes Verständnis für dich. Die Augen essen mit. Arroganz oder gar nicht.

Ich stand mal längere Zeit vor einem Spiegel und habe verschiedenste Dinge mit der Haut in meinem Gesicht gemacht. Ziehen, quetschen, mit einer Nagelschere kleine Punkte stechen, meine Nasenlöcher von innen betrachtet mit der Handytaschenlampe, die Grenze zwischen Außenhaut und Innenhaut gesucht, z.B. in meinem Mund, es war faszinierend, und so ergiebig diese ganze Aktion doch irgendwie war, danach habe ich geweint und mich schrecklich einsam gefühlt.

...

Wenn ich mir ins Gedächtnis rufe, wie es mir dabei erging, dann kommt mir folgender Gedanke: alle, die ich bisher geliebt habe, also so geliebt, wie man Menschen liebt, die weder Freunde noch Familie sind, die man so liebt, dass man sie begehrt, körperlich und geistig, sich nach ihnen verzehrt und den Fahrradsattel zwischen ihren Beinen um seine Existenz beneidet, alle diese haben mir wehgetan. Alle, die ich geliebt habe, haben mich gebrochen. Sogar die, die ich eine Nacht kannte und für immer kennen wollte. Was bringt mir diese Erkenntnis jetzt? Was bringt sie außer mehr Schmerz? Vielleicht, dass ich mich verflixt leicht brechen lasse. Ich bin ofenwarmer Keksteig.

Vielleicht bringt sie das, was sie vielen bringt, die auf stark machen wollen: Ich bin eine verdammte Wölfin und lasse mich nicht weiter brechen. Ich definiere mich über mich selbst und nicht über Kommentare aus dem Off meines Lebens, ein Off, in dem sich nur hinter Pseudonymen getarnte Loser aufhalten und Youtube-Hate-Kommentare zum Besten geben. Die Wut in mir heilt meine Brüche, ich heile mich selbst, bin fertig mit der Welt.

...

Sieh mir in die Augen. Ich muss dir etwas gestehen.

Es tut mir aufrichtig leid, deine Zeit verschwendet zu haben. Ich bin es dir längst schuldig, es ist an der Zeit, das Unausweichliche auszuprechen: Es ist alles, was ich gerade schreibe, völlig banal.

Völlig banal?

Völlig banal im Vergleich zu dir, ja. Du, dich vermisse ich, an dich denke ich seitdem pausenlos. Wir sind uns passiert, wie es kaum Leuten passieren kann außerhalb Hollywoods und seitdem stecke ich fest, weil ich süchtig bin nach deiner Zeit. Es war diese eine Nacht, die ich in meinem Leben nun in Ansätzen bereits zweimal erlebt habe. Und jetzt, nach dem dritten Mal, habe ich gelernt, was ich immer falsch gemacht habe: Wenn du so eine Nacht erlebst, darf sie nicht enden. Der Zauber liegt nicht darin, dass du irgendwann wegfährst und ich da stehe und sehe, wie du wegfährst und alles vorbei ist, nein, der Zauber war selbstverständlich alles bis zu diesem Zeitpunkt und jedes einzelne Mal, als wir das unvermeidbare Ende ein weiteres Mal hinausgezögert haben und uns küssten, küssten so wie wilde Tiere sich küssten, würden sie sich küssen, wie die Menschen sich küssen. Hemmung ist kein Wort, das existierte jene Nacht. Noch heute eine Kreidezeichnung meines alten Ichs am Boden dort am Gleis, wie es dich ansieht und es nicht fassen kann. Meinen Arm hätte ich lieber in diesem Zug gelassen als dich.

Dich zu sehen, dich zu erleben, habe ich den Kopf in den Nacken gelegt, um deine Lippen anhimmeln zu können und du hast ihn mir gewaltsam verdreht, ich weiß nicht, ob man das heilen kann. Meine Augen, meine Pupillen habe ich so weit aufgerissen, wie es nur geht, um dich nie wieder zu vergessen und du hast mich geblendet in diesen Momenten, blind gemacht für alles andere und ich weiß nicht, ob man das heilen kann. Ich war mit dir auf diesem Schloss und zwar in Höhen, die für uns alleine bestimmt waren, so weit oben konnte niemand sein außer uns in dieser Nacht und jetzt komme ich nie wieder da herunter, mir schwindelt überall anders und ich weiß nicht, ob man das heilen kann. In der gleichen Nacht noch lagen wir am Strand und haben uns gesonnt, du hast meine Hand gehalten und ich lag da mit dir und brannte, deine Hand in meiner brennt jetzt unaufhörlich und nun ist alles verbrannt an mir und es schmerzt und ich weiß nicht, ob das irgendjemand jemals heilen kann.

Ich habe das Paradies geschmeckt und dann...

Dann stehen wir wieder um zehn Uhr vormittags in dieser Videothek, blicken auf „Surferslashmountainfuck“ und nichts mehr ergibt einen Sinn, so sehr nichts mehr, dass wir in Trance zur Kassiererin gehen und die DVD mit nach Hause nehmen in der Hoffnung, vielleicht in ihr einen zu finden.

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